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In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag ist in das Begräbniß der Gräfin von Hohenau, welches sich im Park des Schlosses Albrechtsberg befindet, ein Einbruch versucht worden. Um in das Begräbniß zu gelangen, haben die Diebe drei Thüren gesprengt und zwar mittelst eines einige Centimeter breiten Instruments. Alsdann haben sie versucht, den Sarg zu öffnen, was ihnen indessen nicht gelungen ist. Der innere Zinnsarg ist unversehrt und von dem äußeren Holzsarg nur das Fußende des Deckels aufgehoben.

Aus dem Begräbniß sind ein ca. 15 Centimeter hohes Kruzifix aus weißem Elfenbein von der Stärke eines Fingers, um welches ein blauseidenes Band als Schleife gewunden war, und zwei vierarmige Leuchter von Bronce mit Vergoldung gestohlen worden. Das Mittelstück eines jeden dieser Leuchter stellt einen Engel dar; je zwei derselben bilden einen Pendant in der Weise, daß die eine Engelsfigur den Kerzenarm in der rechten, die andere in der linken Hand trägt. [DN 13.4.1886]
   Landgericht. Prozeß gegen den Schuhmacher Karl August Dix aus Neusalza wegen schweren Diebstahls. Bekanntlich wurde am Abend des 11. April in die Begräbnißkapelle auf Schloß Albrechtsberg bei Dresden, da, wo die irdischen Ueberreste der Gräfin Hohenau und eines Kindes derselben ruhen, ein außerordentlich frecher Einbruch ausgeführt. Am nächsten Tage machte man die Wahrnehmungen, die mit größter Sicherheit darauf schließen ließen, daß bei dem ungemein pietätlosen Diebstahl mindestens zwei Personen thätig gewesen sein müssen. Zunächst befand sich an der nach der Dresden-Bautzner Chaussee gelegenen Parkmauer im Innern des Parkes eine Leiter, die aus einem benachbarten Grundstücke herzugeschafft war, und an der etwa 20 Schritt davon entfernten am Rande des Parkteiches gelegenen Kapelle, zu deren Eingang eine Freitreppe führt, zeigte sich zunächst die äußere eiserne Zugangsthüre erbrochen. Weiter fand man an einer zweiten  nach dem Kapellenvorraum führenden hözernen Thür das Schloß erbrochen und in demselben Zustande zeigte sich auch die dritte hölzerne Thür, welche den Zugang vom Vorraum in das zur Aufnahme der beiden Särge bestimmte und an der nördlichen Seite von drei Fenstern matt erleuchtete Kapellen-Innere vermittelt. Eine nähere Besichtigung des Sarges der Gräfin ergab, daß die äußere Umhüllung von Eichenholz am Fußende aus dem Verbande gewuchtet war. Der innere (Zinn-) Sarg zeigte keine Beschädigung; nur die darauf ersichtlichen Spuren von Stearinlichtern ließen erkennen, daß die Einbrecher den äußeren durch Stemmeisenmerkmale beschädigten Sargdeckel in der Hoffnung, auf die Leiche selbst zu stoßen, so weit als möglich emporgehoben und darunter geleuchtet hatten.
   Vermißt würden ein kostbares, aus Elfenbein geschnitztes Krucifix und zwei künstlerisch ausgeführte, aus Goldbronce hergestellte Leuchter. Acht Tage lang blieben die eifrigsten Recherchen der Kriminal- und Sicherheitspolizei, den Thätern auf die Spur zu kommen, ohne den geringsten Erfolg. Erst am Nachmittag des 17. April erhielt ein Beamter der Kgl. Polizeidirektion von dem Zeugen Gränz, der den Angeklagten Dix schon seit 8 Jahren kennt, Wind von der Sache und es wurde daraufhin noch an demselben Abend die Verhaftung des Angeklagten in Hosterwitz vorgenommen.Der Zeuge Gränz begegnete D. Nachmittags in der 5. Stunde auf der Blasewitzerstraße und eine gewisse früher bestandene Intimität zwischen Beiden veranlaßte Dix, sich weniger vorsichtig zu äußern, als er dies bisher in der Zwischenzeit mit anderen Personen gethan hatte. Nachdem sich Beide ihr Leid geklagt und Dix namentlich betont hatte, die reichen Leute lebten herrlich und in Freuden, während die Armen aus dem Elend nicht herauskämen, brachte er ein Packet mit dem Bemerken aus der Tasche, er sei von Jemand beauftragt, das "Zeug" zu verkaufen. Gränz, der inzwischen in den Zeitungen von dem Einbruch in die Begräbnißkapelle gelesen hatte, kam sofort auf die Vermuthung, daß das ihm vorgezeigte Broncegold von dort abstammen und machte dem Angeklagten auch kein Hehl von seiner Vermuthung, daß dieser wohl gar selbst bei dem Einbruch mit thätig gewesen sei.
  Hierbei begann Dix merklich zu zittern, und obwohl er entschieden den Verdacht der Thäterschaft bestritt, hielt er es doch nicht für überflüssig, G. zu bitten, ihn ja nicht zu verrathen, sonst riskire er Zuchthaus.  Um den Angeklagten noch sicherer zu machen, spiegelt ihm G. auch vor, er beabsichtige demnächst einmal Nachts in den Trachenbergen einzubrechen, um dort Geld zu holen und es erklärte sich Dix gern bereit, an den Diebstahl theilzunehmen. So standen die Dinge, als D. auf die Anzeige G.'s hin verhaftet wurde.
   Der Angeklagte blieb auch vor seinen Richtern entschieden dabei stehen, nichts von dem Einbruch in die Begräbnißkapelle auf Schloß Albrechtsberg zu wissen und berief sich im Wesentlichen auf seine schon in der Voruntersuchung erstatteten Angaben. Hiernach will er am 17. April, also acht Tage nach Verübung des Diebstahls, vor einem Fischladen an der Bautznerstraße die Bekannschaft mit einem fremden Mann gemacht haben und, nachdem man gegenseitig über den Mangel an Verdienst geklagt, habe der Fremde mit dem Bemerken, damit könne Beiden geholfen werden, auf einen in seinem Besitz befindlichen Gegenstand hingewiesen, der sich bei späterer Besichtigung in einer Hausflur als das bei ihm, Dix, schließlich vorgefundene Goldbronzestück entpuppte. Auf Wunsch des Fremden, mit welchem er am nächsten Morgen an der Elbe wider habe zusammentreffen wollen, sei er dann dazu verschritten, den Versuch zu machen, das Stück Bronze zu verkaufen.
   Nach dieser Richtung giebt der Zeuge, Handelsmann Lazarus, an, der Angeklagte habe ihn allerdings am 17. April, als er, L., den Neumarkt nach Kundschaft abpatrouillirte, aufgesucht und mit dem Bemerken, er führe das 6. und 7. Buch Mosis bei sich, die Frage verknüpft, ob Lazarus hebräisch könne. Dann befriedigte Dix die Neugierde des Israeliten mit dem Stück Bronze und habe seinen Mangel an Kauflust durch die Aeußerung rege zu machen gesucht, er könne noch mehr von dem Material beschaffen. Nächstdem verfügte sich der Angeklagte zu einer ihm bekannten Frau auf der Frohngasse und bot dort seine Waare an, wurde aber auch hier, weil er ziemlich verdächtig auftrat, abgewiesen. Die Frau schickte ihn zu den Juden, "weil diese verschwiegen seien". Auch in diesem Falle hatte Dix erwähnt, er sei in der Lage, noch mehr von dem Bronzegold zu schaffen; den angeblichen Auftraggeber konnte er aber bis heute nicht ausfindig machen.
  Dix war am Abend des 11. April bis gegen 8 Uhr in einem Restaurant auf der Holzhofgasse - also unweit des Albrechtsschlosses - aufhältlich gewesen und hatte sich dort lebhaft mit den anwesenden Gästen über den sächsischen Prinzenraub, also von einem Thema unterhalten, das mit den bald darauf inszenirten Einbruch eine gewisse romantische Aehnlichkeit hat. Wann der Angeklagte in der Nacht zum 12. April in seine Wohnung nach Hosterwitz zurückkehrte, konnte nicht festgestellt werden.
 Der Gerichtshof, unter Vorsitz des Herrn Landgerichtsdirektor Trummler gewann aus dem Ergebniß der Beweisaufnahme die richterliche Ueberzeugung von der Schuld des Angeklagten und verurtheilte diesen unter Ausschluß mildernder Umstände zu 5 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrenrechtsverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht. Anklage und Vertheidigung war von den Herren Staatsanwalt Wolfram und Referendar Dr. Aster vertreten. [DN 25.8.1886]