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   1855 hinterließ der Baron von Stockhausen eine 44jährige Witwe, eine 11 jährige Tochter und zwei neun- und siebenjährige Söhne. Im Jahr darauf beschrieb Karl Schram die Villa Stockhausen als "mysteriöses Dunkel". Das lässt Deutungen zu. Ich gebe die Reisebeschreibung auszugsweise wieder.

V.
Vergnügungsorte in Dresden und Umgegend.
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Dresden hat in neuerer Zeit außer den früheren Namen, die es hatte, noch einen bekommen: Pianopolis, und dies scheint mir der bezeichnendste von allen. Nirgends wird so viel musicirt und concertirt als hier. Sommer und Winter gibt es hier täglich Concerte und zwar zum Unterschiede von Berlin und vielen andern Städten --- gute Concerte.
   Die berliner Musik, laborirt, die Stern'sche und Kulak'sche Akademie und etwa noch das Liebig'sche Orchester ausgenommen, an einer schrecklichen Mittelmäßigkeit, und von Gungl bis zu Keler Bela ist kaum einer des Nennens werth; in Dresden aber wird dem musikverständigen Publicum für ein Entrée von zwei Groschen etwas Gutes geboten und die Hühnerfürst'sche Kapelle im Link'schen Bade executirt eine Beethoven'sche Symphonie mit überraschender Fertigkeit.
   Das Lincke'sche Bad, woselbst auch das Sommertheater, ist unter den Vergnügungsplätzen Dresden das beste und besuchteste, und diesem schließen sich nachher in natürlicher Abstufung eine ganze Reihe von Etablissements an, unter welchen das Elysium die schönste Aussicht und das Felsner'sche Local die beste Einnahme hat.

 FelsnersRestauration

   Diese Etablissements im Verein mit dem weitberühmten Waldschlößchen und der Saloppe, sämmtlich auf der Anhöhe des rechten Elbufers gelegen, haben ihres Gleichen nicht in irgend einer andern Stadt Deutschlands.
   Jenseits der Saloppe, welche hier den verlornen Posten bildet, beginnt die reizende Gerstkamp'sche Besitzung; dieser schließen sich nachher die Prinz-Albrecht'schen Millionenschlösser an. Da ich auf meiner Wanderung einmal hierher gelangt bin, will ich diese neuen Prachtgebäude nicht unbeachtet lassen.
   Ueber das kleinere dieser beiden Schlösser, das sogenannte Stockhausen'sche, herrscht ein mysteriöses Dunkel, welches ich nicht zu enthüllen wage; das größere hat der Prinz Albrecht von Preußen zu seiner zeitweiligen Residenz erwählt. Abgesehen von der Ueberladenheit und dem festungsmäßigen Gemäuer nach der Wasserseite hin verdient dieser Bau zu den schönsten seiner Art gerechnet zu werden, und die Parkanlage ist ein wahres Meisterstück der Kunstgärtnerei. Mit diesem wüsten Sandhaufen, dem die Natur kaum ein ärmliches Gebüsch zu tragen verstattete, hat die Kunst Herrmann Neumanns einen Kampf auf Leben und Tode begonnen und ist Sieger geblieben. Neumann hat hunderte von alten hohen Bäumen dahingezaubert, hat Alleen geplündert und Wälder der schönsten Stämme beraubt, um sie hier in sinnreicher Anordnung zu vertheilen, und wäre diese Anlage nicht neu, man würde es kaum glauben, daß die fünfzigjährigen altehrwürdigen Stämme einem fremden Boden entrissen und wie junge Sprößlinge verpflanzt wurden. Aber auch Teiche, Steingerölle und Wasserfälle, Hügel und Flächen, Buschwerk und Springbrunnen, Rasen- und Blumenplätze, genug, alles Schöne, was ein alter prächtiger Park mit neuhinzugekommenen Anlagen zu bieten vermag, ist hier vereinigt, ein künstliches Alter und eine natürliche, mit jedem Frühling wiederkehrende Jugend. Diese Anlage ist schon für den flüchtigen Blick überraschend und prächtig, wenn man aber die Mittel ihrer Entstehung mit in Betracht zieht, ist sie wahrhaft bewundernswerth.
   Etwa in gleicher Entfernung wie die obengenannten Restaurationen liegen rings um die Stadt noch ein Dutzend anderer Vergnügungsorte, Brauereien und ähnliche Etablissements zerstreut, wohin Fremde und Einheimische zu wallfahrten pflegen. ...1

[1] Weber's Illustrirte Reisebibliothek, Aus dem Elbthale, Bilder und Skizzen aus Dresden und der sächsischen Schweiz, von Karl Schram, mit 40 in den Text gedruckten Abbildungen, Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber, Leipzig 1856 GoogleBooks