Drucken

Genau ein Jahr nach dem Ableben des Adolf Lohse (* 30. August 1807 in Berlin; † 15. Januar 1867) druckte die "Deutsche Bauzeitung" des Architekten-Vereins in Berlin ein Lebensbild ihres verstorbenen Mitglieds. Ich gebe dieses hier wortgetreu wieder.

Adolph Lohse

   Es war heut vor einem Jahr, am 15. Januar 1867, als ein Mann, der eine hervorragende Stellung in den baukünstlerischen Kreisen unserer Stadt einnahm, nach langen und schweren Leiden das Zeitliche segnete. --- A d o l p h  L o h s e, geboren zu Berlin am 30. August 1807, erhielt seine Schulbildung auf dem hiesigen Friedrich-Werderschen Gymnasium, das er im Jahre 1825 als Schüler von Ober-Sekunda verliess, um sich dem Baufache zu widmen. Nach seiner am 13. Januar 1827 erfogten Prüfung als Feldmesser bei der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. O vereidet und zum Regierungs-Kondukter ernannt. --- Ebendaselbst arbeitete er unter Leitung des damaligen Wasserbau-Inspektor Philippi ein Jahr hindurch, ging dann im Jahre 1828 nach Berlin zurück, wo er durch den Stadt-Baurath L a n g e r h a n s bei städtischen Bauten bis zum Anfang des Jahres 1829 beschäftigt wurde. In diesem und im folgenden Jahre leitete er im Auftrage des Königlichen Ober-Marstall-Amtes die sämmtlichen zur Errichtung des Landgestütes in Zirke erfforderlichen Bauten. Nach Berlin zurückgekehrt, beschäftigte er sich hier mehre Jahre hindurch mit architektonischen Studien und erhielt im Jahre 1834 die spezielle technische Leitung des Baues eines neuen Flügels der hiesigen Königlichen Kunst-Akademie und der Stallgebäude in der Dorotheenstrasse, eine Arbeit, welche seine ganze Thätigkeit bis zum Ausgange des Jahres 1836 in Anspruch nahm. --- In den Jahren 1838 - 40 baute er im Auftrage des Königlichen Kriegs-Ministeriums das General-Kommando-Gebäude zu Frankfurt a. O. --- Nach dieser Zeit führte er in Berlin mehre zum Theil bedeutende Privatbauten aus. Am 27. März 1847 bestand L o h s e seine Staats-Prüfung und erhielt das Qualifikations-Attest als Land- und Wasser-Bau-Inspektor. Gleichzeitig war er mit der speziellen technischen Leitung des Baues der Muster-Strafanstalt bei Moabit betraut. --- Am 11. Dezember 1849 wurde er zum Königlichen Landbaumeister ernannt, in dieser seiner amtlichen Stellung hatte er die Baugeschäfte im Ressort des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten zu besorgen. ---
   Nach einer mehr denn zwanzigjährigen praktischen und theoretischen Beschäftigung im Baufache, vorzugsweise mit den Disziplinen des Landbaus, wurde unserem Lohse Gelegenheit, seine vielseitigen Kenntnisse und seine bedeutenden Erfahrungen an einem grossartigen, mit mehr denn gewöhnlichen Mitteln zur Ausführung bestimmten Werke in durchaus selbständiger Weise zeigen zu können. Prinz Albrecht von Preußen, der den auf dem rechten Elbufer --- oberhalb der Stadt Dresden belegenen --- als schönen Aussichtspunkt bekannten Findlater'schen Weinberg nebst einigen benachbarten Grundstücken käuflich erworben hatte, ertheilte ihm im Jahre 1849 den Auftrag, den Entwurf zu einer dort zu erbauenden Villa auszuarbeiten. Schon im Frühjahr 1850 wurde mit dem Bau einer kleineren, für den Hofmarschall des Prinzen bestimmten Villa begonnen. Während an der Vollendung dieses Baues mit grösster Energie gearbeitet wurde, konnte der eigentliche Hauptbau, der ursprünglich nur als Umbau des alten vorhandenen Schlosses projektiert worden, erst ein Jahr später in Angriff genommen werden. Die überaus splendide Ausstattung der erstgenannten Villa vergrösserte nach und nach die Anforderungen und erweiterte die Grenzen, welche dem Architekten bei der Ertheilung des ihm gewordenen Auftrages Anfangs bezeichnet waren: --- einen fürstlichen Sommersitz zu schaffen --- in einer weit über das gewöhnliche Maass hinausgehenden Weise. --- Die Bebauung des mehr denn 150' hohen, von dem Elbspiegel aus unmittelbar emporsteigenden Hügels, nur als Unterbau des eigentlichen Schlosses zu betrachten, gab unserem L o h s e Gelegenheit, sein bedeutendes Talent für malerische Disposition grossartiger Begäudemassen in glänzender Weise zu bethätigen. So ist denn auf diesem ehemaligen F i n d l a t e r'schen Weinberge ein Schloss entstanden, welches bei herrlicher Lage nebst seinen Terrassen, Fontainen und schönen Gartenanlagen ein vollendetes Bild ächt fürstlicher Munifizenz gewähren würde, wenn nicht leider die Verhältnisse eine zu frühe Unterbrechung der noch nicht ganz vollendeten Bau-Anlagen, wie sie von L o h s e entworfen waren, nothwendig gemacht hätten. Das Bild des Schlosses, wie es der VI. Jahrgang der Zeitschrift für Bauwesen giebt, einem jeden Fachgenossen wohlbekannt, entspricht nicht ganz der Wirklichkeit. Es fehlt der eigentliche Zusammenhang zwischen den Terrassenanlagen und dem Schlosse. Leider sind die beiden oberen Terrassen, das Treib- und Palmenhaus, und die Verbindung dieser mit dem Schlosse unausgeführt geblieben. Trotzdem ist die Wirkung, welche die ganze Anlage selbst in so verkümmerter Gestalt hervorbringt --- besonders von der Elbseite aus gesehen --- immer als eine grossartige zu bezeichnen. ---
   Dieser Bau beschäftige L o h s e fast ausschliesslich bis zum Jahre 1855. --- In diesem Jahre wurde es ihm ermöglicht, einen längst gehegten Wunsch zur Ausführung zu bringen. Nach den grossen gewaltigen Arbeiten, welche seine Thätigkeit auf das Angestrengteste in Anspruch genommen hatten, durfte er endlich nach erhaltenem Urlaub eine grössere Reise antreten. Zu seiner körperlichen und geistigen Erholung unternahm er dieselbe, zur Erweiterung seiner Kenntnisse beutete er sie hauptsächlich aus. Ganz spezielle wissenschaftliche Zwecke führten ihn zunächst nach Paris, wo er am 11. August 1855 eintraf. Das Studium der den öffentlichen Zwecken gewidmeten Anstalten, der Heiz- und Ventilationssysteme etc. fesselte ihn länger an diese Stadt, als ursprünglich in seinem Reiseplan lag. Sein Aufenthalt in Paris, unterbrochen durch eine Reise nach der Touraine, welche er in Gesellschaft von Stüler, Wilhelm Stier und Heidmann unternahm, währte zunächst bis Ende Januar 1856. Nach einer zweiten Reise längs der Westküste Frankreichs bis an die Pyrenäen und über Toulouse, Lyon, Bourges etc. wieder nach Paris zurück, ging er später in Heidmann's Gesellschaft nach Belgien, wo er, hauptsächlich in Brüssel, den Bau der dortigen Gefängnisse und Hospitäler gründlich studierte. Vom Mai bis Ende August 1856 besuchte er England, Irland und Schottland und zwar in Gesellschaft des inzwischen ebenfalls verstorbenen Architekten Pichler aus Frankreich a. M., welcher im Auftrage dieser Stadt den Bau von Hospitälern und Irren-Anstalten seinem besonderen Studium unterwarf. Am 31. August 1856 wurde Lohse zum Bau-Inspektor ernannt. --- Eine von ihm nachgesuchte und bewilligte Urlaubsverlängerung machte es ihm möglich, im September die Schweiz zu besuchen und seine Weiterreise über Mailand, Venedig nach Rom und Neapel auszudehnen. Im Mai 1857 kehrte er erst nach Deutschland und am 1. Juni 1857 nach Berlin zurück. ---
   In seiner amtlichen Stellung als Bau-Inspektor bei der Königlichen Ministerial-Bau-Kommission zu Berlin vollendete er zunächst den von Prüfer begonnenen Bau der Königlichen Realschule zu Berlin, wobei ihm die Gelegenheit wurde, die von ihm gemachten Erfahrungen und Studien über Ventilation, Heizung, Einrichtung der Subsellien etc. in praktischer Weise zu verwerthen.

(Schluss folgt.)

-----------------------------------------------------------------------------------------------------

Adolph Lohse
(Schluss.)

   In den nächsten Jahren bis 1864 entstanden die folgenden, nach seinen speziellen Plänen und unter seiner Leitung ausgeführten Bauten:

1. Die Gebäude der Köppjohann'schen Stiftung in der Albrechtsstrasse.
2. Der Um- und Erweiterungsbau der Königlichen Gewerbe-Akademie.
3. Das Königliche Wilhelm-Gymnasium in der Bellevuestrasse.
4, Die inneren Restaurationsbauten der Sophien- und der Dreifaltigkeitskirche.

   Der nach S a l z e n b e r g' s Plänen unter seiner Leitung ausgeführte Bau des Telegraphengebäudes fält ebenfalls in diese Zeit. Die in diesem Gebäude zur Verwendung gekommene und sehr gelungene Wasserheizung nach dem Niederdrucksystem ist ausschliesslich sein Werk, dem er bis in's kleinste Detail die eingehende Fürsorge und ein ganz spezielles Studium widmete.
   Unter den vielen Privatbauten, welche er während seines bewegten und thätigen Lebens ausgeführt hat, sind besonders hervorzuheben:

Das Wohnhaus Potsdamerstrasse 10, ein im Innern mit ungemeinem Luxus ausgestattetes Gebäude;
das Wohnhaus des Herrn v o n  G r a e f e in der Roonstrasse 9 und 10;
das A c h a r d'sche Stiftungshaus an der Ecke der Französischen und Markgrafenstrasse.

   Am 7. März 1862 wurde L o h s e in Anerkennung seiner vielfachen Verdienste zum Hof-Baurath ernannt, nachdem er durch die neue Dekorirung der Festräume im Palais des Prinzen Albrecht von Preussen von dem ihm eigenen und feinen Sinne für die Entfaltung prächtiger architektonischer Wirkungen ein glänzendes Zeugniss abgelegt hatte.
   Die Entwürfe und speziellen Angaben zur Façadenbildung des Empfangsgebäudes auf dem hiesigen Ostbahnhofe, zur Dekoration der darin befindlichen Königszimmer, sowie die Feststellung eines Theiles der Pläne zu dem nach seinem Tode zur Ausführung gebrachten Wohngebäude Bellevuestrasse 15, gehören zu seinen letzten Arbeiten. --- Ein Beweis für die allgemeine Anerkennung, welche sich L o h s e besonders auf dem Gebiete des Schulhausbaues erworben, ergiebt die von den städtischen Behörden zu Kottbus, Wittstock, Guben und anderen ihm gewordene Uebertragung von Entwürfen zu den daselbst zu erbauenden Gymnasien und Realschulgebäuden, welche sämmtlich genau nach seinen Angaben zur Ausführung gekommen sind.
   Der Schulhausbau war so recht das Element, in welchem L o h s e sich besonders gern bewegte. Die Liebe und Sorgfalt beim Entwerfen der Pläne, die strenge und gewissenhafte Ausführung des Baues und Ueberwachung desselben bis in's kleinste Detail hinein --- das Studium aller konstruktiven Elemente, von denen ihm keines zu gering erschien, um es nicht der eingehendsten Prüfung für werth zu erachten ... das Alles waren Eigenschaften, welche unseren L o h s e ganz besonders kennzeichneten, welche andrerseits aber auch seine Zeit in einem zu hohen Grade in Anspruch nahmen, so dass er nicht selten bis tief in die Nacht hinein über denjenigen Arbeiten sass, zu denen seine Thätigkeit während der Tagesstunden ihm nur wenig Zeit gestattete.
   Hierzu kam seine Zugänglichkeit für Jedermann, der seines Rathes bedurfte und den er Jedem mit grösster Bereitwilligkeit und trotz seiner beschränkten Zeit gern und willig ertheilte. Er war ein freund der Geselligkeit, fröhlich unter den Fröhlichen, anregend in der Unterhaltung und gern von den Schätzen seines umfassenden Wissens mittheilend. Seine älteren Freunde wussten von so manchen heiteren und harmlosen Scherzen, die ihm ein jugendlicher, übersprudelnder Humor eingab, zu erzählen.
   Dem Architekten-Vereine gehörte er fast seit dessen Bestehen an; er war Mitglied des Vorstandes und als solches bis zu seinem Tode Säckelmeister des Vereins. So manche interessante und belehrende Mittheilung haben dessen Mitglieder ihm zu verdanken. ---
   Das ist in kurzen Zügen das Lebensbild eines Mannes, dem Vieles gegeben ward, der aber auch gern Aneren gab. Er hatte der Freunde Viele, es fehlte ihm aber auch nicht an Solchen, welche ihn und seine guten Absichten verkannten. --- Sein stets zur Versöhnung geneigter Geist war immer bereit, jede ihm willfahrene Unbill zu vergessen. Humanität war der Grundzug seines Charakters. ---

Er ruhe in Frieden! ---
Berlin, den 15. Januuar 1868.          Fr. Koch.2

Quellenverzeichnis:
[1] Deutsche Bauzeitung, Wochenblatt herausgegeben von Mitglieder des Architekten-Vereins zu Berlin, Jahrgang II., Nr. 6, Berlin, den 7. Februar 1868 GoogleBooks
[2] Deutsche Bauzeitung, Wochenblatt herausgegeben von Mitglieder des Architekten-Vereins zu Berlin, Jahrgang II., Nr. 7, Berlin, den 14. Februar 1868