Vorgestern Abend wurde im Freiherrlich Stockhausen'schen Parke in Loschwitz durch mehrere Männer ein stattlicher w e i ß e r H i s ch, angeblich 4 Ctr. schwer, "mit den Händen gefangen". Der Verlauf war folgender:
Der Besitzer des originell ausgestatteten Bergrestaurants "Wachberg", im Wachwitzgrunde, unterhält zur Belustigung seiner Gäste einen besonders eingehegten Thiergarten. Aus Schabernack hatten Abendgäste am Sonntage die Thüre des Geheges, welche nur eingeklinkt war, geöffnet, so daß der dort gehegte stattliche, z. Z. in der Brunst stehende weiße Hirsch, dessen Schaufelgeweih 14 Enden zählt, und eine Hirschkuh entweichen konnten. Die letztere fand sich am anderen Morgen wieder bei ihrem Kälbchen ein, der Hirsch dagegen suchte das Weite und erging sich im Bühlauer und Fischauser Staatsforstrevier. Am Montag Abend troddete er die Bautzner Chaussee herein und verlief sich, da das große Parkthor eines eingefahrenen Lastwagens wegen weit offen stand, in dem obengenannten herrschaftlichen Parke. Dem Besitzer des Wachberges, Herrn Palisch, wurde alsbald Mittheilung gemacht und begab sich derselbe am Dienstag gegen Abend, begleitet von zwei Freunden, nach Loschwitz. Es gelang ihm, den z. Z. sehr bösartigen Brunsthirsch, der ihn kennt, durch Brot anzulocken, und als sich der Ausreißer anschickte, seinen Herrn auf das Geweih zu nehmen, mit beiden Händen die Geweihstangen zu erfassen. Der Hirsch rannte ihn allerdings sofort nieder; doch hielt P. das Geweih fest, bis seine Begleiter hinzusprangen, den Hirsch werfen und den Genossen befreien konnten. Das heftig schlagende Thier konnte glücklich so lange niedergehalten werden. bis noch weitere 3 Helfer zusprangen. Es gelang unter großen Anstrengungen glücklicher Weise ohne Unfall, das unbändige Wild in eine mitgebrachte Käfig-Kiste, ohne Anwendung von Kette oder Seil, einzusperren und wohlbehalten wieder heinzuführen. [DN 31.10.1890]
Quellennachweis:
[DN tt.mm.jjjj] Dresdner Nachrichten am tt.mm.jjjj