16 | 05 | 2024

   Den Abschnitt "Die Hochbauten des 19. Jahrhunderts" haben der Baumeister R. Wimmer und Hermann August Richter, Letzterer den Teil Wohngebäude, wo auch die Albrechtsschlösser beschrieben werden, bearbeitet. Ich gebe diesen hier wortgetreu wieder.

   Nenneswerte herrschaftliche Privatbauten mit grossen Park- und Gartenanlagen sind nur in kleiner Zahl vorhanden. Es sind dies vor Allem die drei, auf der am rechten Ufer der Elbe stromauf bis Loschwitz und darüber hinaus sich hinziehenden Hügelkette und an deren Abhang nach der Elbe gelegenen Besitzungen, welche durch ihre dominirenden Bauten und grossartigen Parkanlagen eine wahrhafte Zierde des Elbufers geworden.
   Die erste derselben ist:
   1. d a s   A l b r e c h t s s c h l o s s, auf dem Albrechtsberge, ehemals Lord Findlater's Weinberg, welches in den Jahren 1850 bis 1854 durch den kgl. preussischen Landbaumeister Lohse als Landsitz für Seine kgl. Hoheit den Prinzen Albrecht von Preussen erbaut und geschaffen worden ist. Von dem Ufer der Elbe steigt das Terrain unter einem Winkel von fast 30 Grad bis zu einer Höhe von 54 Meter über den Wasserspiegel des Stromes. Auf dieser Höhe bildet es ein unregelmäßiges, nach Osten gestrecktes Plateau, welches nach der entgegengesetzten Seite, gegen die Bautzner Chaussee hin, wieder um circa 6,5 m abfällt. Auf dem Gipfel des Hügels erhebt sich das Schloss, mit seinen vier Ecken ziemlich genau nach den vier Himmelsgegenden orientirt. Die in grossartigen Maassstabe enworfenen, mit Brücken, Säulenhallen, Grotten, Cascaden versehenen Terrassen-Anlagen, welche die Höhe des Schlosses mit dem Ufer des Stromes vermitteln, gewähren in ihren vielfachen Windungen stets neue und überraschende Aussichten über das herrliche Elbthal, die durch die geschickte Anordnung der Park-Anlagen in Verbindung mit Wasserkünsten etc. etc. noch an Reiz gewinnen.
   Ursprünglich war nur ein Umbau der alten Findlater'schen Villa projectirt, dadurch also die wesentliche Lage der Räume bestimmt; erst später, während des Baues, wurde eine Vergrösserung des Gebäudes durch Anbauten vorgenommen.
   Der Haupteingang zum Grundstück erfolgt von der Bautzner Chausse. Diesem gegenüber, im Mittel vom Parterre des Schlossgebäudes, liegt das säulengeschmückte Vestibul; Paneele und Lisenen sind aus grauem schlesischen Marmor, Säulen und Pilaster aus dunklem Stuckmarmor mit weisen Capitälen. Die Rückwand gegen den Gartensalon ist mit mächtigen Spiegeln verkleidet, die Decke in roth mit gelben Verzierungen gehalten. Der anstossende, nach der Elbseite gelegene Gartensalon ist durch Säulenstellungen in drei Theile getheilt, von denen der mittlere einige Stufen tiefer liegt. Die Wände der Seitentheile sind mit vier Landschaftsgemälden vom Professor Schirmer in Berlin geschmückt, welche einerseits Cairo und Constantinopel, andererseits Meran und Neapel zum Gegenstand haben. Die Farbe des Saales ist mattgrau, die Thüreinfassungen und Paneele aus belgischem bläulichen Marmor. Die Säulen sind schwarz, Thüren und Boiserieen aus amerikanischem Patridholz. Die Decke zeigt einfache Cassettirung, in der Mitte eine Rosette, mit tanzenden vergoldeten Kindergestalten umgeben. Rechts an den Gartensalon stösst das Billardzimmer, roth, mit Möbeln und Boiserieen aus gebeiztem Rüsternholz, daneben ein kleines Rauchzimmer. Aus letzterem führt ein Degagement in die Bibliothek, deren Schränke aus polirtem Ahornholz gefertigt sind. Die übrigen Zimmer in diesem Gebäudetheil waren für den Adjutanten des Prinzen bestimmt.
   Links neben dem Gartensaale liegt ein Anrichtezimmer, hinter welchem, mit einem besonderen Zugang vom Flur aus, sich das Badezimmer anschliesst. Dasselbe, von dem Architekt von Diebitsch aus Berlin in orientalischem Stile decorirt, zeigt in der Mitte das Badebassin aus belgischem bräunlichgrünen Marmor; über ihm erhebt sich, von sechs zierlichen maurischen Säulchen getragen, ein reicher Baldachin, während umher Treppenanlagen geordnet sind, welche in die Räume des oberen Geschosses führen.
   Das Ganze macht in seinem Ensemble einen prächtigen, man kann sagen magischen Eindruck.
   Das Vestibül der Haupttreppe ist in mattgrünemTone gehalten; weisse Pilaster mit davorstehenden Candelabern zieren die Thüreingänge; das Deckenbild zeigt eine preussische Victoria.
   Die Haupttreppe ist kreisförmig und erhält ihre Beleuchtung durch Oberlicht. Die Stufen tragen sich wechselseitig frei, sind von Sandstein und mit weissen Marmorplatten belegt. Das reich vergoldete Geländer stellt in seiner Zeichnung die Kette des preussischen schwarzen Adlerordens dar.
   Den oberen Schluss des Treppenraumes bildet eine von acht braunrothen Marmorsäulen getragene Kuppel, deren decorative Anordnung über einer Reihe von Victorien die Porträtbilder der Ahnen des kgl. Prinzen zeigt.
   Im Mittel der Etage, durch die ganze Tiefe des Gebäudes reichend, befindet sich der Festsaal des Schlosses. Derselbe ist 21,6 m lang, 8,8 m breit und 9 m hoch. den Grundton der Wände bildet ein gelblicher Stuckmarmor, die Säulen und Thüreinfassungen sind weiss, die Thüren aus dunklem amerikanischen Nussbaumholze.
   Ueber dem unteren Theile des Saales, der durch ein reiches Gesims abgeschlossen, zieht sich an den Langseiten eine Reihe von Halbkreisnischen hin, zwischen denen auf kleinen Sockeln allegorische Figuren angebracht sind. Die Nischen selbst enthalten Frescobilder, welche ihre Motive aus der Freude und dem Genuss an dem ländlichen Leben entnehmen und vom Maler Hartmann in Dresden ausgeführt sind. Die Decke des Saales, ungemein reich in Stuck cassettiert, ist fast durchgehend weiss gehalten. An den Festsaal schliesst zunächst der Speisesaal an, dessen Wandflächen ganz mit Tafelwerk in amerikanischem Eichenholze verkleidet sind; auch die Decke zeigt eine damit harmonirende, in Stuck imitirte Holzconstruction.
   Die übrigen im linken Gebäudetheile liegenden Räume dieses Stockwerkes sind für die Dame des Hauses zur Wohnung bestimmt und bestehen aus Empfangszimmer, Salon, Boudoir, Schlafzimmer und Toilettenzimmer. Ungemein stattlich ist das Schlafzimmer ausgebildet. Zierliche Broncesäulen trennen von dem länglichen Raume ein regelmäßiges Achteck ab, dessen Decke kuppelförmig und mit geschmackvoller Malerei versehen ist.
   In dem rechten Gebäudetheile liegen die Zimmer, welche die Wohnung des Herrn bildeten. Das Empfangszimmer, mit einer Flachkuppel übedeckt, Thüren und Möbel aus Polisanderholz, der Salon, das reichgeschmückte Arbeitszimmer, mit hohen Paneelen aus polirtem spanischen Nussbaumholze und Ledertapeten bekleidet, das Schlafzimmer, dessen Deckenconstruction aus flachen Tonnengewölben mit Stichkappen besteht, in denen Waffenstücke der preussischen Armee abgebildet sind, und das Toilettenzimmer.
   Die in den Formen hellenischer Architektur Schinkel'scher Schule ausgeführten Façaden des Schlosses sind in feinem weissen, rein bearbeiteten Sandstein hergestellt. Ein grosser, reich geschmückter Erkerausbau auf der nach der Elbe gekehrten, Säulen- und Pilasterstellungen auf der entgegengesetzten Seite, Balcone, die hohe, das Gebäude krönende Balustrade mit Vasen- und Figurenaufsätzen und die beiden an den Kopfseiten des Schlosses sich zu grosser Höhe entwickelnden Thürme verleihen dem Gebäude eine überaus prächtige Wirkung.
   An der Haupteinfahrt zum Grundstück sind --- verbunden durch grosse eiserne Thore --- Flügelgebäude errichtet, welche Beamtenwohnungen, Wirthschaftsräume, Pferdeställe und Wagenremisen enthalten; überdies sind mannigfache andere Bauten im Parke zerstreut, von denen namentlich das elegante Badehaus zu nennen ist.
   Die andere der oben bezeichneten Besitzungen ist:
   2. d i e  V i l l a  S t o c k h a u s e n, in unmittelbarer Nähe des Albrechtsschlosses, auf dem stromaufwärts gelegenen, früher Hegewald'schen Weinberge im Jahre 1850 gleichfalls vom Architekt des Albrechtsschlosses (Landbaumeister Lohse) für den Hofmarschall Seiner kgl. Hoheit des Prinzen Albrecht erbaut.
   Im Aeusseren dem Baustile des Albrechtsschlosses sich anschliessend, ist sie zwar weit einfacher als dieses ausgeführt, immerhin aber so ausgestattet, wie wenig andere Privatvillen. Die Hauptfaçade ist der Elbe zugekehrt; der ziemlich steile Abhang des Hügels nach der Elbe ist terrassirt und mit Wein bepflanzt. Die Ecken der nach der Bautzner Chaussee gelegenen Front des Gebäudes flankiren zwei achteckige Anbauten, die als Thürme über das Gebäude sich erheben und von denen einer die Haupttreppe enthält. Zwischen ihnen liegt die Vorhalle, deren Decke durch jonische Säulen getragen und durch flache, muldenförmige Gewölbe gebildet ist. Der dahinter liegende Flur, mit leichtem Zwickelgewölbe überspannt, führt auf der einen Seite nach der Haupttreppe, auf der anderen in die nach der Elbseite zu gelegenen Gesellschaftsräume.
   Vor dem mittleren geräumigen Salon liegt eine mit Glaswänden geschlossene Blumenhalle; die Rückwand des Salons bildet eine halbkreisförmige Nische, welche im unteren Theile mit hoher Boiserie von Nussbaumholz, im oberen auf dunkelviolettem Grunde mit Bacchantenfirguren in tanzenden Stellungen geschmückt ist.
   Die Etage enthält die Zimmer für die Dame und den Herrn des Hauses und ein reich decorirtes Speisezimmer mit Buffetraum. Das Treppenhaus ist mit einer Kuppel abgeschlossen, durch deren Kranzöffnung dasselbe Licht erhält, während das Seitenlicht der Fenster durch mattgeschliffenes Glas gedämpft ist.
   Das Souterrain enthält die Wirthschaftsräume, Küche, Speise- und Vorrathskeller, sowie ein Badezimmer.
   Zwei Säulenhallen, welche vom Mittel der nach der Elbe zu gelegenen Eckzimmer nach rechts und links gehen und in achteckigen Pavillons, in denen Springbrunnen aufgestellt, auslaufen, tragen nicht wenig dazu bei, den Reiz der Anlage zu erhöhen.
   Die dritte Besitzung ist das auf dem sogenannten Eckberg, einem durch das Einschneiden der im Volksmunde mit dem Namen des Mordgrundes bezeichneten Thalschlucht in die Loschwitzer Hügelkette eckartig formirten, stromaufwärts gelegenen Terrain, errichtete
   3. S c h l o s s  S o u c h a y. Dasselbe ist in den Jahren 1859 - 1861 von dem Architekten Professor Arnold in gothischem Stile entworfen und ausgeführt

SchlossSouchay1

worden und enthält für die Bedürfnisse eines herrschaftlichen Haushaltes im Parterre ausser Vorzimmer, Diener- und Wirthschaftsräume, das Esszimmer, eine Anzahl Gesellschafts- und Repräsentationszimmer, ingleichen ein grösseres Pflanzenhaus; in der Etage aber die Wohnzimmer für die Dame und den Herrn des Hauses, Fremdenzimmer, ein Badezimmer und Zimmer für die Dienerschaft.
   Die Façaden, mit dem architektonisch sehr wirksamen Hauptthurm und mehreren Nebenthürmen, sind in den Mauerflächen aus gelben, in den Architekturtheilen aus feinem weissen, rein bearbeiteten Elbsandstein ausgeführt, nach Innen sind die Umfassungen mit Ziegelmauerwerk verkleidet. Die Anlage und Decoration im Inneren des Gebäudes entspricht in dem gewählten Baustil ganz den äusseren Formen. Fussböden, Wandverkleidungen, Thüren, Fensterrahmen sind in Eisenholz ausgeführt, zum Theil auch die Plafonds der Zimmer, einige der letzteren sind in Stuck cassettirt. Die Beheizung der Vorzimmer, Corridore etc. erfolgt durch Luftheizungsapparate, zu derjenigen für die Wohn- und Gesellschaftszimmer dienen sogenannte Berliner Oefen. Die Herstellung der, in mittelalterlichen Stilmotiven ausgeführten Möbel, ist gleichfalls nach den Zeichnungen des bauleitenden Architekten erfolgt. Ausser dem Hauptgebäude ist noch an dem, an der Bautzner Chaussee gelegenen Eingang zur Besitzung ein Remisen- und Stallgebäude für 14 Pferde, ein Kuh- und Geflügelstall und ein Thorwärterhaus, im Aeusseren in reiner Sandsteinarbeit, ausgeführt worden.
   Die Kosten für die gesammten baulichen Ausführungen, einschliesslich derjenigen für Herstellung der Möbel, betrugen 400000 M.1

SchlossSouchay2

Quellennachweis:
[1] DIE BAUTEN, TECHNISCHEN UND INDUSTRIELLEN ANLAGEN VON D R E S D E N, Herausgegeben von dem Sächs. Ingenieur- und Architekten-Verein  und dem Dresdener Architekten-Verein, Druck und Verlag von C. C. Meinhold & Söhne, Dresden 1878, S. 369 ff.

registrierter Bereich
Links