08 | 11 | 2024

   Johann Heinrich Wilhelm Graf von Luckner (* 29 Januar 1805 in Plön; † 19. Februar 1865 in Dresden) beauftragte den Architekten Carl Alexander Heideloff (* 2. Februar 1789 in Stuttgart; † 28. September 1865 in Haßfurt) mit dem Entwurf zum Umbau des Findlaters Palais zu einem byzantinischen Schloss nach seinen Vorstellungen. Carl Alexander Heidelhoff schrieb 1851 seine Erinnerungen zum Geschehen darum auf.

XII.
Platte 4. 5. 6. 7.
Projekt eines Schlosses in Findlaters Weinberg bei Dresden, für den Grafen Lukner in Altfranken,
Königreich Sachsen

   Seit mein hochverehrter Freund, Herr Graf Lukner als Kgl. Dänischer Gesandter von Portugal zurückgekommen, war er von dem Gedanken erfüllt, etwas Großartiges zu schaffen, und acquirirte daher in der Ueberzeugung, daß die politischen Zustände den Frieden erhalten dürften, im Jahre 1848 die reizend gelegene schöne Villa des berühmten James Earl of Findlater and Seofield an der Elbe. Er wollte dieselbe unter dem neuen Namen Wilhelmsberg zu einer großartigen, im byzantinischen Style gehaltenen Burg umschaffen, umgeben von einem anmuthigen Park, der nach dem Plane des berühmten Kgl. Garten-Direktors Lenné ausgeführt werden sollte; mir aber übertrug er den Bau nach seinem Programm, in welchem er seine eigenen Ansichten und Wünsche niedergelegt hatte, und wonach das Findlater'sche Schloß zum Theil belassen werden konnte. Nach dieser Maaßgabe construirte ich meine Zeichnungen, und um dem Ganzen eine malerische Gruppirung zu geben und dem wirklich schönen Lokal und der Umgebung gerecht zu werden, habe ich es so geordnet, daß es von der großen Dresdner Brücke aus einen imposanten Prospect darböte.
   Dieser wichtige Bau wurde auch sogleich im Februar 1849 in Angriff genommen, indem der Herr Graf mir vorher am 20. Januar, im Glauben es sein nun das Gefährlichste der Verwirrung vorüber, unter  Anderm schrieb: "Das Vertrauen fängt an, allmählich wieder zurückzukehren, und mit ihm auch ... was Ihnen gewiß lieb, zu hören --- meine Baulust. die seit lange bei Seite gelegten Pläne liegen wieder vor mir, mit Liebe und Eifer studiere ich sie, und möchte Ihnen in diesen Zeilen einige Mittheilungen machen, also zunächste zu einigen Abänderungen."

1) An dem Platze der Capelle wünsche ich ein Theater zu haben, und die Capelle in dem Raum zu legen, den wir für die Bildergallerie bestimmt hatten. Demnach können beide Endpunkte der Flügel Erkerchen bekommen, wodurch eine angenehme Symmetrie entstehen würde.
2) Durch diese Veränderung ist es nun aber nothwendig geworden, die ganze Terrasse auszubauen, und zwar dergestalt, daß sich das Museum oder Bildergallerie an die Capelle anschließt bis zu der durch das ganze Gebäude laufenden Mittelmauer, wodurch noch ein ziemlicher Raum für eine Waffenhalle übrig bleiben würde, mit einer großen Thüre und Balkon in der Mitte nach der Elbseite.
3) Unsere Idee mit dem viereckigten Thurme müssen wir auf die Seite legen, und zwar deßhalb, weil dadurch die Haupt-Zimmer des Gebäudes ihre jetzige wohlproportionirte Form verlieren werden. Es ist deshalb im Familienrathe beschlossen worden, die jetzige achtseitige, dem Auge wohlgefällige Form beizubehalten, und durch das ganze Gebäude zu einer Höhe hinaufzuführen, die jedenfalls noch um Einiges über die beiden höchsten Endmauern hinausreichen dürfte. Ein kleineres Octogon, wie es sich auf dem projectirten Thurm befindet, wird ebenfalls nicht gewünscht. Dieß die nächsten Haupt-Bemerkungen, andere Kleinigkeiten finden sich beim Baue selbst u. s. w.

   Diese Bemerkungen habe ich auch in beiliegenden Rissen beibehalten und die Sache war in Ordnung, denn in demselben Brief schrieb mir der Herr Graf noch: Nur noch dieß eine Wort: "Bleibt Frieden, denke ich, daß M. Geiger (mein Bauführer) im Monat März den Bau beginnen könnte"
   In gleicher Zeit erhielt auch ein Schreiben von dem ausgezeichneten Steinmetzmeister Hiller, dem Meister bei meinen Kirchenbauten zu Leipzig und Oschatz, folgenden Inhalts:

   Zu meiner großen Freude hatte ich die Ehre in diesen Tagen den Herrn Grafen Lukner bei mir zu sehen. Dieselben machten mir bekannt, daß nunmehr der nach Ihren so prächtigem Plane vorzunehmende Bau beginnen solle, was uns in unserm lieben Dresden um so mehr zu statten kommt, weil ohnedem die Freiheit schwindelnde Zeit das Baufach ganz im Hintergrunde geschoben hat. Ich hatte das Vergnügen, Ihre so schön gelungenen Pläne gemeinschaftlich mit dem Herrn Grafen durchzugehen und dieselben mit Muse näher ins Auge zu fassen. Es ist wahr, mein hochgeehrter Herr Professor, ohne Schmeichelei zu sagen, sie haben die Idee des Herrn Grafen, aus diesem jetzigen Gebäude ein byzentinisches Schloß zu machen und diesen herrlichen Punkt von der Natur begünstigt, durch Ihre vortreffliche Idee schön und herrlich gelöst. Diese architectonischen Dekorationen verdienen von jedem Sachverständigen volle Anerkennung u. s. w.

   Mein Bauführer Geiger reiste demzufolge mit den Plänen und Karten nach Dresden ab, aber die politischen Wirren wurden immer bedenklicher, und die Gefahr, daß der Friede gestört werden könnte immer drohender; doch als man glaugte, endlich würde sich die hochgehende Welle legen, schrieb mir der Herr Graf den 10ten Februar 1849 nach seiner Rückkehr von Berlin folgendes:

   "Jawohl, Freundchen, schicken Sie mir unsern Geiger, es ist eine mündliche Besprechung jetzt unumgänglich nothwendig geworden, sonst kommen wir zu Nichts Ordentlichem; er kann Ihnen alsdann auch alle Pläne und Maaße wieder mitbringen; nur nicht verzagt, ich bin guten Muthes, und sind es meine politischen Glaubensgenossen mit mir u. s. w."

   Aber trotz dieser Zuversicht wurden die Verhältnisse immer verwickelter, und die Mai-Ereignisse in Dresden und Wien sind bekannt. Der Schreck über große Verluste zerstörte die Gesundheit des Herrn Grafen auf das Empfindlichste, so daß man für sein Leben fürchtete; der Bau wurde eingestellt, die fremden Arbeiter flohen vor den Gräueln der folgenden Tage; Parteien tobten in den Straßen Dresdens und bald zeigten sich die Früchte dieser Ultra-Freiheit in Gewaltthaten aller Art, und so konnte die Gemahlin des Grafen nichts weiter thun, als in größter Eile und mit großem Verluste das herrliche Gut verkaufen, und Dresden war um einen schönen Punkz seiner Umgebung ärmer, Unglück auf Unglück folgte, und was mein Geiger in Dresden mit eigenen Augen sah, gränzt an das Unglaubliche.
   Drei Monate hatten wir ununterbrochen gebaut, lebhaft war es in der Steinmetzwerkstatt, auf den Zimmerplätzen hergegangen, und es soltte 1 und 1/2 Jahr das Ganze seiner Vollendung nahe gebracht werden; die schönsten Verzierungen byzantinischer Form sollten das Schloß schmücken und das Ganze ein Comfort von Bequemlichkeit und Geschmack werden. Aber da tasteten rohe Hände an die Schöpfungen des Geistes und der aufgeschreckte Genius floh von dannen, eine sichere Freistätte suchend.
   Mir aber entgiengen in dieser Zeit über fünfzehn Bauten, ein Verlust, der nicht wieder zu ersetzen ist.1

Quellennachweis:
[1] Carl Heideloff, Architectonische Entwürfe und ausgeführte Bauten im byzantinischen und altdeutschen Styl, II. Heft, Enthaltend 10 Stahltafeln in Quer-Folio-Format und den erläuternden Text dazu mit 11 Stahlstichen, Verlags-Eigenthum von Konrad Geiger, Nürnberg 1851 GoogleBooks

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